Januar 2022

Von Punalur (Indien) nach Deutschland

Ein Interview mit Pfarrer Joseph Francis

Ein gutes halbes Jahr ist es her, als wir Pfarrer Joseph Francis in der Sonntagsmesse offiziell hier in Lohmar begrüßt haben. Nun sprach der Öffentlichkeitsausschuss mit ihm über das, was ihn dazu gebracht hat, nach Deutschland zu kommen und wie er seine bisherige Zeit hier in Lohmar erlebt hat.

Pfarrer Francis, 2018 hat Sie Ihr Weg nach Deutschland geführt. Wie kam es dazu?

Schon während meines Studiums interessierte ich mich für die deutsche Sprache. Ich hatte aber keine Möglichkeit, sie zu lernen. Einmal auf Deutsch zu predigen, war irgendwie mein Traum. Inspiriert hat mich dann die Doktorarbeit (auf Englisch) meines Philosophieprofessors über Martin Heidegger. Als ich sie las, fand ich viele Erklärungen und Fußnoten auf Deutsch.

So wurde das Verstehen und Sprechen der deutschen Sprache zu meinem großen Wunsch, der für viele Jahre blieb - auch nachdem ich Priester geworden war. Diese Herausforderung motivierte mich, meinen Bischof in Punalur, Dr. Selvister Ponnumuthan (Kerala), zu bitten, mich nach Deutschland gehen zu lassen. Dazu brauch­te ich ja seine Erlaubnis, die ich schließlich 2018 auch bekam.

Ich machte mich auf den Weg ins Emsland/Diözese Osnabrück. Natürlich hatte ich meine Anfangsschwierigkeiten. Aber ein intensiver Deutschkurs half mir, die anfänglichen Sprachhürden zu überwinden. Im Umgang miteinander lernte ich mehr und mehr, mich an die deutsche Sprache, die Gepflogenheiten und die pastorale Arbeit im Bistum Osnabrück zu gewöhnen.

Wie lange waren Sie im Emsland?

Im Sommer 2021, nach drei Jahren, endete meine vertraglich vereinbarte Zeit in der Diözese Osnabrück. Ich habe mich dann auf eine Stelle im Erzbistum Köln beworben und habe auch eine Zusage erhalten. Und nun bin ich als Pfarrer in Lohmar tätig.

Zwischen Ihrem Bistum Punalur und dem Erzbistum Köln liegen ja deutliche Unterschiede - in der Größe und auch in der Mentalität. Wir erfahren Sie diese?   

Ja, das stimmt. Gemessen an der Einwohnerzahl hat z.B. die Diözese Punalur einen Katholikenanteil von 0,8 % und Köln 45 %. Und noch größer ist statistisch gesehen die Zahl der Katholiken, für die ein Priester zuständig ist: In Punalur sind es etwa 360 und in Köln etwa 1.475 (diese statistischen Zahlen sind ca. zwei Jahre alt). 

Die Mentalität der Menschen im Emsland - wo ich ja anfangs war - und im Rheinland ist nicht gleich. Das habe ich schnell feststellen können. Aber der rheinische Frohsinn erinnert mich sehr an die Lebensfreude meiner Mitmenschen in Punalur.  

„Lebensfreude“ möchte ich leben, und dass ich manchmal mit meiner Fröhlichkeit ansteckend sein kann, wird mir nachgesagt. Darum fühle ich mich auch im Rheinland zu Hause.

Sie haben Vorstellungen, was Sie als Priester in den Alltag der Men¬schen in unsere Gemeinden einbringen möchten. Was ist Ihnen wichtig?

Ich denke oft an meine ersten Erfahrungen. Bevor ich 2001 nach meiner Priesterweihe als Kaplan in meiner ersten Pfarrei in der Diözese Punalur eingesetzt wurde, warnten mich Mitbrüder, die die Situation in der Pfarrei kannten, mit negativen Beschreibungen, die mich in der dortigen Gemeinde erwarten würden: problematisch - zurückgezogen - streitsüchtig - nicht kooperativ - Gemeindemitglieder wollten nicht mehr zur Kirche gehen... Ich ließ mich davon nicht beirren und wollte mein Bestes versuchen, die Menschen dort zusammenzubringen. Aber mein Bemühen war anfangs erfolglos.

Und wie löste sich alles? Oder haben Sie resigniert?

Nein, resigniert habe ich nicht. Ich war einfach nur hilflos. Aber dann kam eine für mich ungeplante neue Erfahrung: Im Rahmen einer Exerzitienwoche war täglich eine Stunde Zeit für eine eucharistische Anbetung vorgesehen. Ich spürte während einer Gebetszeit, wie Gott mich drängte, ganz einfach offen mit den Menschen zu reden - nur offen und ehrlich. Das habe ich gewagt, als ich zurückkam. Und es kam so, dass wir im Verlauf der kommenden Zeit in kleinen Schritten gut miteinander reden und arbeiten und uns zu verschiedenen Anlässen treffen konnten. Das gab uns Kraft für unseren Alltag. Es war für die ganze Gemeinde wirklich zu einem Pfingstereignis gekommen! Wir redeten verschieden, aber wir verstanden uns, weil wir füreinander offen waren und uns gegenseitig zuhören konnten. Und mehr noch: Unser sprechendes und hörendes Beten mit Gott – auch gemeinsam – bekam für mich eine ganz tiefe Bedeutung. Es war eine Schlüsselerfah­rung, die meinen Blick auf mich und auf die Menschen in der vorher sehr verfahrenen Situation in der Pfarrei verändert hatte. Diese „neue Zeit“ begleitet mich seitdem und motiviert mich auch weiterhin, andere erfahren zu lassen, Gott und einander im Gebet zu begegnen. Auch diese Erfahrung möchte ich hier in Lohmar weiter beherzigen. - „Nichts ist verloren, wenn man den Dialog wirklich praktiziert“, wie Papst Franziskus sagt. 

Was gefällt Ihnen an uns hier in Lohmar?

Ich liebe Lohmar mit seiner natürlichen Schönheit und genieße die herr­lichen Aussichten, an manchen Stellen sogar bis zum Kölner Dom. Auch das Umland ist sehr schön, was ich bei Fahrten ins Siebengebirge er­fahren konnte – ich war sogar schon mit Pfarrer Feggeler auf dem Drachenfels mit dem herrlichen Blick auf den Rhein.

Die Besteigung des Kölner Doms war allerdings anstrengend, aber der Blick von oben auf die Stadt war atemberaubend. Und auch die gemeinsame Schifffahrt nach Linz als Abschiedsreise von Pfarrer Müller war für mich ein sehr schönes Erlebnis. Meiner Freude am Reisen, um Land und Leute kennenzulernen, kommt das sehr entgegen.

Ich freue mich über die vielen ehrenamtlich Tätigen in der hiesigen Pfarrei. Frauen, Männer und Jugendliche machen Aktivitäten möglich wie die monatliche Anbetung in Scheiderhöhe, den herrlichen Chorge­sang, die gutbesuchte Tafel, das Repair-Café, die intensive Vorberei­tung auf Erstkommunion und Firmung, die SternsingeInnenraktion, den Einsatz der zahlreichen Messdiener und Messdienerinnen, die Gestal­tung unserer Homepage, die tröstende Begleitung alter, kranker oder sterbender Menschen durch den Besuchsdienst. Ich konnte auch die gute ökumenische Zusammenarbeit kennenlernen. 

Ganz besonders gefällt mir das angenehme Arbeitsklima im Pastoralteam und im Pfarrgemeinderat. Mit meinem Chef, Pfarrer Feggeler, verstehe ich mich sehr gut.

Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit?

Ich wünsche mir, dass die Gemeindemitglieder Geduld mit mir haben, wenn sie mich manchmal noch nicht so gut verstehen. Ich bemühe mich weiterhin, ein besseres Deutsch zu sprechen. Eine schwierige Fremdsprache ist Kölsch für mich. Einige Male am Ende der Messe habe ich sehr zur Erheiterung der GottesdienstbesucherInnen versucht, einige Sätze zu auf Kölsch zu sprechen. So habe ich am Ende der Neujahrsmesse im Rückblick auf das schwierige vergangene Coronajahr gesagt: „Wat fott is, is fott!“ 

Ein Gedanke am Schluss: Gott ist ein Freund der Kleinen und Schwachen. Er setzt nicht auf das, was wir Großes leisten, gelten oder sind. „Durch Gottes Gnade, durch das, was Gott mir gegeben hat, bin ich, was ich bin“ (1 Kor. 15,10). Diese Gewissheit gibt mir Kraft, auch meine Fehler und Schwächen anzunehmen. Sie lässt mich am Ende dankbar sein für alles, was mein Leben ausmacht.

 

 

 

Marien-Kathedrale in Punalur
Marien-Kathedrale in Punalur